Sonntag, 23. Dezember 2012

Alamannische Gräber an der südlichen Kantstraße

In den Ortsakten der Bodendenkmalpflege liegen genauere Berichte über die Funde von 1912/13 vor, über die "die Feierstunde" berichtet hat (Vergl. apud giselingen 22.12.2012).
Demnach liegt die Fundstelle in der Uracher Straße 33. Bei den Funden von 1912 handelte es sich um Nord-Süd-orientierte Bestattungen, die aufgrund einer Armring-Beigabe der Frühlatènezeit (also etwa 4. Jh. v.Chr.) zugewiesen wurden.
Die Grabbergungen 1913 nahm Forstmeister Schultz im Mai vor. Er berichtete ausführlich an das königliche Landeskonservatorium, das damals von Peter Goessler, einem gebürtigen Geislinger geleitet wurde:
"Die Gräber befinden sich hinter (nördlich) dem Haus No. 33 der Ölwegstraße bei dessen Fundierung im Herbst vor. J. ebenfalls ein Grab aufgedeckt wurde. Das Haus No. 33 u. die Tuffsandgrube gehören dem Maurer Christian Kolb in Altenstadt. Ebene Lage. Der Untergrund setzt sich zusammen:
a auf der obersten dunklen Kulturschichte, ca. 60 cm stark, folgt b Tuffsandschichte ca. 95 tief, sodann war c graue, lockere Tonschichte ca. 50 cm, ganz unten wieder Tuffsand - d - abgebaut wird nur die Tuffschichte b.
In diese Tuffschichte sind die Reihengräber eingelassen und zwar ca. 80 cm tief, so daß unter den Gräbern die Tuffhöhe noch ca. 15 cm stark ist. Die Gräber markieren sich im Querschnitt durch graue Färbung des gelblichen Tuffsands, wohl infolge Vermischung des Tuffsands beim Wiedereinfüllen des Grabes. Die Entfernung von Grab zu Grab konnte ich nicht genau feststellen, da ich nicht mehr graben ließ; in Mittelhöhe der Gräber dürfte sie etwa 65/70 cm betragen. Untere Breite der Gräber scheinbar nur 45 cm, obere nur ca. 65-70 cm. Richtung der Gräber ziemlich genau W-O, Kopf der Skelette im W., also Gesicht gegen O. Angeschnitten wurden zwei Gräber, das eine Skelett bis zur Mitte der Oberschenkelknochen ausgegraben, vom anderen war der zertrümmerte Schädel freigelegt, sodann sofort wieder zugedeckt. Der Schädel des ausgegrabenen Skeletts ist zertrümmert, ein handgroßes Stück der Schädeldecke gut zu erkennen, ebenso der auffallend breite, sehr starke und hohe Unterkiefer gut erhalten, Zähne ausgefallen, Wirbel und Schlüsselbein und Oberschenkelknochen noch gut erhalten. Die Zähne sind z.Teil stark abgenützt, also Skelett eines älteren Mannes. Beigaben wurden bis jetzt nicht gefunden, die Knochen werden von Kolb aufbewahrt, welcher sich sofort bereit erklärt hat, die Gräberstelle nicht weiter anzugreifen u. 8- 10 Tage zu warten, bis er von mir weitere Nachricht erhalten hat." (Ortsakten LDA)
Nur eines der drei Gräber wurde so weit ausgegraben, dass Beigaben geborgen werden konnten. Aus Grab 1913/3, einer ost-west-orientierten Grabgrube, die möglicherweise einst einen Steineinbau hatte (angeblich fanden sich in der Verfüllung 'Tuffblöcke') wurden offenbar die typischen Ausstattungsstücke eines merowingerzeitlichen Männergrabes geborgen:
Gräberfeld Am Oelweg: Schildbuckel aus Grab 1913/3
(Landesmuseum Württemberg;
Zeichnung R. Schreg - aus Schreg 1999)

  • Schildbuckel, Eisen, flach gewölbter Haube, konischer Kragen, Krempe mit ehem. 6 Nieten (3 Abdrücke erh.), lag außen am linken Knie, Oberseite zum Skelett, 15 bis 20 cm höher als das Skelett und durch Tuffblöcke davon getrennt. - heute im Landesmuseum Württemberg, Inv. 672a.
  • Schildbeschläg, in 3 Teile zerbrochen, bei Schildbuckel. - nicht erhalten. 
  • Eisenteile, am rechten Oberschenkel. - nicht erhalten. 
  • Reste von Eisen mit Bronzenägel in der Gürtelgegend - offenbar die Reste einer Gürtelgarnitur. - nicht erhalten.
  • beinerner Kamm. - nicht erhalten.
  • Knochen von Mensch und Tier, ca 20 cm über Bestattung, die Zugehörigkeit zur Bestattung ist fraglich. - nicht erhalten.
Bronzene Zierscheibe aus einem Frauengrab
im Gräberfeld 'Am Oelweg', geborgen 1937
(Heimatmuseum Geislingen,
Foto R. Schreg 1994)
Viele Details müssen trotz des Berichtes von Schultz offen bleiben, so die Zugehörigkeit der nicht zum Skelett gehörenden Menschen- und Tierknochen, aber auch die Lage des Schildes im Grab. Für die Datierung des Grabes wäre die Gürtelgarnitur ausschlaggebend, die aber leider nicht erhalten ist. Auch der Grabbau ist unklar. Meist handelt es sich in der Merowingerzeit um einfache Grabgruben mit Holzkisten oder -särgen; bisweilen sind aber auch Steineinfassungen in der Grabgrube nachweisbar. 

Die Bestattungen an der südlichen Kantstraße sind nur einer von mehreren frühmittelalterlichen Bestattungsplätzen im Geislinger Talkessel. Große Gräberfelder lagen an der Überkinger Straße sowie in den Mühlwiesen (an der nördlichen Kantstraße). Kaum einzuschätzen sind weitere Bestattungsplätze am Stadtpark sowie möglichereise in Flur Röckenhofen nahe der Mündung der Eyb in die Fils.

In der Umgebung der Fundstelle von 1913 an der südlichen Kantstraße wurden später mehrfach weitere Gräber der Merowingerzeit geborgen. 1937 wurde in der Keplerstraße 13 ein Frauengrab ausgegraben, dessen Beigaben heute im Heimatmuseum zu sehen sind. Aus einigen Baugruben in der Umgebung liegen aber auch Negativbeobachtungen vor. Eine Untersuchung in der Keplerstraße 15 erbrachte zwar ein weiteres latènzeitliches Grab und eine Siedlungsgrube der Völkerwanderungszeit, aber keine weiteren Bestattungen der Merowingerzeit. Deshalb könnte es sein, dass wir es hier gar nicht mit einem großen, geschlossenen Gräberfeld wie an der nördlichen Kantstraße zu tun haben (Gräberfeld Mühlwiesen), sondern mit einzelnen Bestattungen, die innerhalb einer Siedlung bei den Höfen selbst lagen. Immerhin sind aus diesem Bereich mehrere Fundkomplexe mit Siedlungskeramik bekannt, die man allerdings geringfügig früher datieren muss. Zugleich lässt sich aber auch vermuten, dass hier viele archäologische Funde, aber auch Gräber zerstört wurden, ohne dass Funde oder Berichte dazu überliefert wurden.

Fundstellen des Frühmittelalters an der südlichen
Kantstraße - die eingekringelte 1 markiert die Fundstelle von 1913
(Verändert nach Schreg 1999)
Die archäologischen Beobachtungen an der südlichen Kantstraße zeigen, wie wichtig es ist, das Funde gemeldet werden. Im Lauf der zeit sammeln sich Informationen an, die es ermöglichen, wenigstens eine grobe Vorstellung von der Geschichte zu erhalten. 
Vielleicht bringen künftige Fundmeldungen eine Klärung. - Idealerweise word bei künftigen Baumaßnahmen die Archäologie aber schon so frühzeitig eingebunden, dass genauere Untersuchungen möglich sind.

Literaturhinweis:
Interner Link

Rainer Schreg

Samstag, 22. Dezember 2012

Zwei Notizen zu archäologischen Funden in Geislingen vor 100 Jahren

Die 'Feierstunde' - erste Werkszeitungen der WMF
 
Titel der ersten Werkszeitung der WMF, herausgegeben vom werkseigenen Wohlfahrtsverein
 
Am 1. Januar 1890 erschien die erste Ausgabe der ‚Feierstunde‘, der damals neuen Werkszeitung des Wohlfahrtsvereins der Württembergischen Metallwarenfabrik Geislingen.

Das doppelseitige Blatt, das vierzehntägig erschien, informierte die Arbeiterschaft der WMF über betriebliche und lokale Neuigkeiten und war zugleich ein Sprachrohr über das Werksgelände der WMF hinaus.

‚Die Feierstunde‘ wurde bis 1916 herausgegeben und erfreute sich einer regen Abnahme, weil nicht nur Wissenswertes über innerbetriebliche Neuerungen, sondern auch Lesenswertes zum Stadtgeschehen, Politik, Geschichte, Praktisches und vielerlei weiterer Themen in knappen Mitteilungen vermittelt wurde. Im Kriegsjahr 1917 erschienen noch zwei Ausgaben im März und Dezember. Danach wurde das Erscheinen der beliebten Werkszeitung eingestellt.
 
Interessant sind zwei Notizen über archäologische Funde in Geislingen-Altenstadt, die 1912 und 1913 erschienen. Die beiden Mitteilungen unterrichten lediglich über den Fundort, beidesmal im Ölweg, und über die zeitliche Einordnung der Funde in die LaTène-Zeit, bzw. die Alamannenzeit. Anscheinend wurden sie vom damaligen Landeskonservator Dr. Gößler geborgen. Ob die Funde noch existieren und wo sie sich heute befinden, ist nicht erwiesen.
 
Keltische Grabfunde in Altenstadt 1912, Feierstunde, Jahrgang gebunden, S. 154, Stadtarchiv Geislingen
 
 

Alamannische Grabfunde in Altenstadt 1913, Feierstunde, Jahrgang gebunden, S. 115f., Stadtarchiv Geislingen
 
 
 
 

Freitag, 21. Dezember 2012

Die Siechenkapelle wird im Januar 2013 Denkmal des Monats

Eine dicke Überraschung hat das neue Jahr für uns schon parat. Die Denkmalstiftung Baden-Württemberg hat die sanierte und restaurierte Siechenkapelle in Geislingen-Altenstadt im Januar 2013 zum Denkmal des Monats erklärt. Wir, bei der Stadt Geislingen und im Kunst- und Geschichtsverein Geislingen, freuen uns sehr darüber.

In der Pressemitteilung vom 18. Dezember 2012 wird diese Entscheidung seitens der Denkmalstiftung erläutert:

Denkmalstiftung Baden-Württemberg:

„Denkmal des Monats“ Januar 2013:
- Die ehemalige Siechenkapelle in Geislingen-Altenstadt, Landkreis Göppingen -

Die Siechenkapelle ist Restbestand einer 1398 erstmals erwähnten Siechenhaus-Anlage, die 1811 abgebrochen wurde. Diesem Schicksal entging die Siechenkapelle im Jahre 1993 mit knapper Not. Wollte doch der ehemalige Eigentümer, die Bundesrepublik Deutschland, das nur noch durch die Straßenbauverwaltung fehlgenutzte Gebäude beseitigen. Durch ein Verwaltungsgerichtsverfahren konnte dieses Ansinnen abgewendet werden. Die Stadt Geislingen erwarb das Anwesen daraufhin für den symbolischen Betrag von einer D-Mark.
Die Kapelle, ein spätgotischer Saalbau, weist qualitätvolle spätgotische Wandmalereien mit einem Passionszyklus, einem Weltgericht, sowie einer Auferstehungsszene sowie interessante
Baumerkmale mit Nischen, Fenster- und Türöffnungen auf. Es handelt sich somit um ein
Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung, das ein seltenes Dokument einer vergangenen
Fürsorgeeinrichtung mit kunsthistorischem Rang darstellt.
Der Erhaltung der Kapelle nahm sich dann eine mittlerweile gegründete Initiative des Kunst- und
Geschichtsvereins Geislingen an. Im Jahre 1993 konnte so zunächst der Bestand gesichert werden. Bereits seinerzeit hat die Denkmalstiftung Baden-Württemberg mit einer Zuwendung in Höhe von 60.000,- DM tatkräftige Hilfe geleistet. Allerdings drohte die Kapelle in den Folgejahren wieder Schaden zu nehmen, weil jegliche Nutzung, die zum Erhalt eines solchen Bauwerks unerlässlich ist, fehlte.
Unterstützt durch viel weiteres bürgerschaftliches Engagement des Kunst- und Geschichtsvereins hat die Stadt Geislingen schließlich die Erhaltung und Sicherung der Kapelle durch eine Sommernutzung betrieben. Dort sollen künftig Ausstellungen und sonstige Veranstaltungen stattfinden. Hierzu waren Einbauten, vor allem ein Holzboden, eine Stromversorgung sowie Verglasungen notwendig. Von den Gesamtkosten von rund 50.000,- EUR hat die Denkmalstiftung angesichts des enormen bürgerschaftlichen Engagements durch Spenden und Eigenleistungen des Vereins von 20.000,- EUR die Kapelle erneut mit 15.000,- EUR gefördert. Am 21. Oktober letzten Jahres konnte dann die Einweihung für die künftige Sommernutzung gefeiert werden.
Aber noch sind künftig neue Pläne in der Siechenkapelle umzusetzen. Dabei geht es letztlich um eine Restaurierung der erhaltenen Reste der wertvollen Fresken. Diese wurden im Jahre 2012 von Studenten der Akademie der bildenden Künste in Stuttgart erfasst und kartiert. Mittel- und langfristig soll für die Wandmalerei ein stufenweises Restaurierungsprogramm erarbeitet werden.
Bei Abdruck erbitten wir ein Belegexemplar.

Kontakt:
Denkmalstiftung Baden-Württemberg
Charlottenplatz 17
70173 Stuttgart
Telefon 0711 / 226 11 85
Fax 0711 / 226 87 90
www.denkmalstiftung-baden-wuerttemberg.de



Die 28. Geislinger Weihnachtsausstellung ist eröffnet.

Feuer, Dampf und Induktion
Vom Kochen und Garen in guten wie schlechten Jahren

Kochen und Zubereitung von Speisen an der Herd- oder Kochstelle des Hauses ist seit Urzeiten die elementare familiäre und gesellschaftliche Tätigkeit. Am Herd und in der warmen Küche setzte man sich zusammen, und beim gemeinsamen Mahl fand schon immer gemeinschaftliches Handeln seinen Ursprung.

Dies gilt bis heute, wenn gleich sich auch die Herdstellen in der häuslichen Küche verändert haben. War bis ins 20. Jahrhundert die offene Feuerstelle im Herd noch gängig, wurde durch technische Neuerungen dieses Herdfeuer durch Gas oder Strom ersetzt. Heute zu Beginn des 21. Jahrhunderts sind die Mikrowelle und das Induktionskochen zum Standard in der Küche geworden und beides hat zu veränderten Lebensgewohnheiten geführt.

Die 28. Weihnachtsausstellung zeigt exemplarisch wie sich das Kochen und Garen seit dem Mittelalter und mit der Industrialisierung bis heute verändert hat.Mit dem Wandel der Energiequellen veränderten sich natürlich auch die erforderlichen Kochgeräte, vom Blechkochtopf zum Schnellkochtopf, von der Bratpfanne zum Vitalis-Dampfgarer der WMF. Am Beispiel des Produktsortiments der WMF lässt sich die Entwicklung der Küchengeräte der letzten 100 Jahre nachvollziehen.

Die Lebensmittelversorgung und Vorratshaltung schwankten in wirtschaftlich guten und schlechten Zeiten. Schlechte Ernten und Kriege führten immer schon zu Notzeiten, in denen Hunger und Entbehrung große Teile der Bevölkerung erfassten. Die ältere Generation weiß noch um die Not der Nachkriegszeit in Deutschland.

Heutzutage ist das Bewusstsein von Notzeiten angesichts einer Fülle von Lebensmitteln nicht mehr präsent. – oder? Ein wachsender Teil unserer Bevölkerung verarmt zusehends. In den Städten gibt es Menschen, die sich kaum noch die täglichen Nahrungsmittel leisten können. Untrügliche Zeichen dafür sind Tafelläden und Vesperkirchen auch in Geislingen.

Ein weiterer Wandel in unserer Gesellschaft ist einerseits die Wertschätzung biologischer Lebensmittel und andererseits die kritiklose Akzeptanz von Fastfood quer durch alle Bevölkerungsschichten.

Trotz dieser differierenden Tendenzen ist die häusliche Küche heute mehr denn je ein Treffpunkt für Freunde und Gourmets zum gemeinsamen Kochen und Essen geworden.


Ausstellungsinfos:

Ausstellungsort: Galerie im Alten Bau, Moltkestr. 11, 73312 Geislingen an der Steige
Ausstellungsdauer: 07.12.2012 - 13.01.2013
Öffnungszeiten: Di – So 14 – 17 Uhr, Mo geschlossen,
                              an den beiden Weihnachtsfeiertagen geöffnet


23. Mai 1809: Scharmützel bei Amstetten

Vor kurzem wurde in Amstetten bei Geislingen an der Steige ein Silexfund dem Kunst- und Geschichtsverein angezeigt. Nach gründlicher Untersuchung des Fundes stellte sich heraus, dass es sich um eine Flintstein handelt, der zum Funkenschlagen bei Steinschlossgewehren der napoleonischen Kriege gebräuchlich war. Diese Fund ist nun der Anlass, sich an ein Scharmützel zu erinnern, das am 23. Mai 1809 bei Amstetten oberhalb von Geislingen statt gefunden hat.



Das Titelblatt der 'Allgemeinen Hauss Chronick' 1815
von Johann Daniel Kemmel


Eine nähere Beschreibung der dortigen Vorgänge hat Johann Daniel Kemmel, Bäckermeister in Geislingen, in seiner 'Allgemeinen Hauss Chronick' von 1815 aufgeschrieben. Seine Chronik beginnt zwar im Jahre 1815, aber in seinen voran gestellten Erinnerungen an besondere geschichtliche Begebenheiten in und um Geislingen wird von ihm eben dieses kriegerische Ereignis wie folgt geschildert:

"Da wir nun Bairisch waren so wurde nach Landessitte auch die hiesige Bürgerschaft zu einem Bürgermilitär Organisirt, und dieses bestunde aus einem Corps Schützen und 2 Compagnien Füselier, ganz Heldenmäßiger Mannschaft. Am Pfingstmontag 1809 kam die Nachricht hierher, es kommen Östreichische Truppen aus dem Tirol über die Alp zu uns und begehren durch zu ziehen, so gleich wurde das Bürger Militär unter die Waffen gerufen, und die Thore dobelt mit Wache besetzt, die Schützen aber Campirten die ganze Nacht im Feld, und besetzen die Strase von dem übern Thor bis an die Staig. Nun lag aber auch ein Bairischer Hauptmann hier mit ungefehr 80 Mann, dieser ging mit seinen Leuten die Staige hinauf und besetzte den Ziegelwald. Die Nacht wurde nun in banger Erwartung zugebracht, mann lud nichts als Mistwagen und verrammelte damit das Obere Thor und den Ziegelwald. Denstag Morgens um 5 Uhr kam wieder Nachricht das Sie nun anrücken würden, so gleich wurde Lerm geschlagen, und die ganze Bürgerschaft Ruckte nun vollends aus unter das Oberthor, nun kammen aber die Östreicher und Rückten gegen den Ziegelwald an, darauf lies der Bairische Hauptmann der sich mit seinen Leuthen darinn versteckt hielt die Trommel Rühren, und seine Leute losfeuren worauf sich die Östreicher etwas zurück zogen, doch bald wieder halt machten, nun wurde das Feuern algemein, aber der Gute Hauptmann wurde zuerst verwundet, und fiel, wo bey noch mehrere seiner Leute blesirt wurden auch hatten sie wenig Munition und mußten nun weichen, und diese zogen nun durch den Ziegelwald, doch gleich darauf zogen die Geißlinger Bürger die Staige hinauf und Streiften umher machten auch noch bey Amstedt 2 Husaren samt den Pferden gefangen. Die Bürgerschaft bekam nun ein Belobigungsschreiben, und 3 Verdienst Medalion, von Ihre Königlicher Maiestet von Baiern. Wie nun dieser Krieg wieder geendigt war, so traf uns wieder das Los bey der Ländervertheilung, das wir an die Grone Wirttemberg abgegeben wurden, und so seyn wir nun Würtembergisch bis auf den heutigen Tag nehmlich November 1810."

Das ehemalige Ulmer Reichsstadtgebiet ist mit der Stadt Geislingen nach dem Reichsdeputationshauptschluss 1802 an das Königreich Bayern gefallen. Die Stadt wurde Verwaltungszentrum des neuen bayerischen Landgerichts Geislingen, vergleichbar mit dem Status der späteren württembergischen Oberamtsstadt Geislingen. Die Kemmel'sche Schilderung der damaligen Ereignisse gibt uns heute noch einen Einblick in die Lebenssituationen der Menschen in diesen Kriegszeiten.


Literatur:
Bauer, Karlheinz: Geschichte der Stadt Geislingen, Bd. 2, S. 16ff.
Kemmel, Johann Daniel: Die 'Allgemeine Hauss Chronick', in: Gruber. H., u.a.: Eine Stadt im Wandel - 1810-1938: Die württembergische Oberamtsstadt Geislingen, 1998, Veröffentlichung des Stadtarchivs Bd. 15, S. 11ff.
Schuhholz, Albert: Geislingen unter Baierischer Herrschaft, in: Gruber. H., u.a.: Eine Stadt im Wandel - 1810-1938: Die württembergische Oberamtsstadt Geislingen, 1998, Veröffentlichung des Stadtarchivs Bd. 15, S. 25ff.

Schießerei bei Amstetten

Amstetten (UL), Aurain
(Foto: S. u. C. Paulus, Amstetten, mit freundl.
Genehmigung)

In Flur Aurain bei Amstetten wurde als Lesefund ein Silexartefakt gefunden und dankenswerterweise mit der Vermutung, es handele sich um ein steinzeitliches Messerchen, dem Kunst- und Geschichtsverein in Geislingen gemeldet.

Aufgrund der gelblichen Farbe des mit kleinen Mikrofossilien durchsetzten Rohmaterials, der kantigen Grundform an einer offenbar etwas dickeren Klinge und vor allem aufgrund der tiefen, beidseitigen Retuschen an den Kanten, die vielfach feine Rostspuren aufweisen, erweist sich das Stück als ein stark genutzter neuzeitlicher Flintenstein. Leider also kein Steinzeitmesser. Entsprechende Stücke kamen vor allem in napoleonischer Zeit in großer Zahl nach Südwestdeutschland, waren aber auch schon seit dem 16. Jahrhundert im Einsatz. Sie dienen zum Schlagen des Zündfunkens bei Steinschlossgewehren.

Hartmut Gruber weist darauf hin, dass es durchaus sein könnte, dass der Flintenstein aus einer Flinte eines französischen oder österreichischen Soldaten herstammt, denn dort bei Amstetten gab es Anfang Juni 1809 ein Scharmützel zwischen den beiden verfeindeten Parteien. Das bayerische Regiment des Geislinger Bürgermilitärs mischte tatkräftig auf Seiten der Franzosen mit. Die Österreicher wurden in die Flucht geschlagen, wobei einige Gefangene gemacht wurden. Solche Identifikationen archäologischer Funde mit konkreten Ereignissen sind freilich immer schwierig. Da das Militär die Flintensteine nach wenigen Schuß ausgetauscht hat, könnte vorliegendes Stück am ehesten von einer Jagdwaffe stammen.

Die Geislinger Oberamtsbeschreibung nennt interessanterweise die Gewinnung von Feuersteinen aus dem auf der Alb anstehenden Feuersteinlehm (OAB Geislingen, 54). Alle mir bei Begehungen bekannt gewordenen Flintensteine aus der Region (es sind nicht viele, aber sie sind eben auch nicht ungewöhnlich) gehören aber dem gelblichen Rohmaterial an, das wahrscheinlich aus der Gegend um Maastricht stammt. Der Neufund fügt sich gut in dieses Bild ein und unterstreicht, wie sehr man trotz lokaler Feuersteinvorkommen auf Importflintensteine gesetzt hat.

Es ist immer wichtig, dass Funde der Wissenschaft bekannt werden - die regionalen Vereine sind da keine schlechte Anlaufstelle. Am besten ist aber immer eine Meldung an die Denkmalpflegeämter, im Falle von Amstetten ist das das Regierungspräsidium in Tübingen, im Kreis Göppingen das RP in Stuttgart (konkret Ref. 86 im Landesamt für Denkmalpflege in Esslingen) oder die Kreisarchäologie Göppingen. Dort werden umfangreiche Fundakten geführt, die schließlich auch die Grundlage für siedlungsgeschichtliche Auswertungen bieten.

Mit bestem Dank an die Finder S. u.C. Paulus und an Hartmut Gruber für seinen Hinweis auf die Ereignisse 1809

Literaturhinweise
  • N. Kenmotsu, Gunflints: A study. In: D.R. Brauner (Hrsg.), Approaches to Material Culture Research for Historical Archaeologists (California, Penn 2000) 340-372 (online bei der Society for Historical Archaeology)
  • J. Weiner, Flintensteine. In: H. Floss, Steinartefakte (Tübingen 2012) 961-972.

Links




Rainer Schreg