Freitag, 21. Dezember 2012

23. Mai 1809: Scharmützel bei Amstetten

Vor kurzem wurde in Amstetten bei Geislingen an der Steige ein Silexfund dem Kunst- und Geschichtsverein angezeigt. Nach gründlicher Untersuchung des Fundes stellte sich heraus, dass es sich um eine Flintstein handelt, der zum Funkenschlagen bei Steinschlossgewehren der napoleonischen Kriege gebräuchlich war. Diese Fund ist nun der Anlass, sich an ein Scharmützel zu erinnern, das am 23. Mai 1809 bei Amstetten oberhalb von Geislingen statt gefunden hat.



Das Titelblatt der 'Allgemeinen Hauss Chronick' 1815
von Johann Daniel Kemmel


Eine nähere Beschreibung der dortigen Vorgänge hat Johann Daniel Kemmel, Bäckermeister in Geislingen, in seiner 'Allgemeinen Hauss Chronick' von 1815 aufgeschrieben. Seine Chronik beginnt zwar im Jahre 1815, aber in seinen voran gestellten Erinnerungen an besondere geschichtliche Begebenheiten in und um Geislingen wird von ihm eben dieses kriegerische Ereignis wie folgt geschildert:

"Da wir nun Bairisch waren so wurde nach Landessitte auch die hiesige Bürgerschaft zu einem Bürgermilitär Organisirt, und dieses bestunde aus einem Corps Schützen und 2 Compagnien Füselier, ganz Heldenmäßiger Mannschaft. Am Pfingstmontag 1809 kam die Nachricht hierher, es kommen Östreichische Truppen aus dem Tirol über die Alp zu uns und begehren durch zu ziehen, so gleich wurde das Bürger Militär unter die Waffen gerufen, und die Thore dobelt mit Wache besetzt, die Schützen aber Campirten die ganze Nacht im Feld, und besetzen die Strase von dem übern Thor bis an die Staig. Nun lag aber auch ein Bairischer Hauptmann hier mit ungefehr 80 Mann, dieser ging mit seinen Leuten die Staige hinauf und besetzte den Ziegelwald. Die Nacht wurde nun in banger Erwartung zugebracht, mann lud nichts als Mistwagen und verrammelte damit das Obere Thor und den Ziegelwald. Denstag Morgens um 5 Uhr kam wieder Nachricht das Sie nun anrücken würden, so gleich wurde Lerm geschlagen, und die ganze Bürgerschaft Ruckte nun vollends aus unter das Oberthor, nun kammen aber die Östreicher und Rückten gegen den Ziegelwald an, darauf lies der Bairische Hauptmann der sich mit seinen Leuthen darinn versteckt hielt die Trommel Rühren, und seine Leute losfeuren worauf sich die Östreicher etwas zurück zogen, doch bald wieder halt machten, nun wurde das Feuern algemein, aber der Gute Hauptmann wurde zuerst verwundet, und fiel, wo bey noch mehrere seiner Leute blesirt wurden auch hatten sie wenig Munition und mußten nun weichen, und diese zogen nun durch den Ziegelwald, doch gleich darauf zogen die Geißlinger Bürger die Staige hinauf und Streiften umher machten auch noch bey Amstedt 2 Husaren samt den Pferden gefangen. Die Bürgerschaft bekam nun ein Belobigungsschreiben, und 3 Verdienst Medalion, von Ihre Königlicher Maiestet von Baiern. Wie nun dieser Krieg wieder geendigt war, so traf uns wieder das Los bey der Ländervertheilung, das wir an die Grone Wirttemberg abgegeben wurden, und so seyn wir nun Würtembergisch bis auf den heutigen Tag nehmlich November 1810."

Das ehemalige Ulmer Reichsstadtgebiet ist mit der Stadt Geislingen nach dem Reichsdeputationshauptschluss 1802 an das Königreich Bayern gefallen. Die Stadt wurde Verwaltungszentrum des neuen bayerischen Landgerichts Geislingen, vergleichbar mit dem Status der späteren württembergischen Oberamtsstadt Geislingen. Die Kemmel'sche Schilderung der damaligen Ereignisse gibt uns heute noch einen Einblick in die Lebenssituationen der Menschen in diesen Kriegszeiten.


Literatur:
Bauer, Karlheinz: Geschichte der Stadt Geislingen, Bd. 2, S. 16ff.
Kemmel, Johann Daniel: Die 'Allgemeine Hauss Chronick', in: Gruber. H., u.a.: Eine Stadt im Wandel - 1810-1938: Die württembergische Oberamtsstadt Geislingen, 1998, Veröffentlichung des Stadtarchivs Bd. 15, S. 11ff.
Schuhholz, Albert: Geislingen unter Baierischer Herrschaft, in: Gruber. H., u.a.: Eine Stadt im Wandel - 1810-1938: Die württembergische Oberamtsstadt Geislingen, 1998, Veröffentlichung des Stadtarchivs Bd. 15, S. 25ff.

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