Donnerstag, 23. Januar 2014

Belagerung und Zerstörung des Helfensteins 1552 Teil 1

Eine Tragödie in drei Akten


Die ehemalige Ulmer Festung Helfenstein wurde im sogenannten Markgräfler Krieg durch List und Erpressung an Ostern 1552 von den Truppen des Markgrafen Alkibiades von Brandenburg-Kulmbach besetzt. Die stattliche Burg über der Stadt Geislingen war zuvor niemals von Feinden eingenommen worden, auch während des Bauernkriegs 1524/25 nicht, in dem viele Burgen und Klöster im Umkreis gebrandschatzt wurden. Und es mutet fast wie eine Laune der Geschichte an, dass die Ulmer ihre eigene Festung belagern und sturmreif schießen mussten, um wieder ihre Herrschaft in Geislingen zu erlangen.

Das Vorspiel
Im Herbst 1551 schlossen eine Reihe von protestantischen Fürsten, vornehmlich Kurfürst Moritz von Sachsen, Landgraf Wilhelm von Hessen, Herzog Albrecht von Mecklenburg und Markgraf Albrecht Alkibiades von Brandenburg-Kulmbach mit dem König von Frankreich Heinrich II. heimlich ein Bündnis gegen den katholischen deutschen Kaiser Karl V.

Ursachen für diese Fürstenverschwörung gegen den Kaiser waren die Stationierung spanischer Truppen in Deutschland nach dem Augsburger Interim von 1548 und die Pläne Karls V., die deutsche Kaiserkrone erblich an das Haus Habsburg unter Bevorzugung der spanischen Linie zu binden.

Die Beweggründe für diese kaiserfeindliche Allianz lagen weniger darin, wie vorgegeben, für die Verbreitung der evangelischen Glaubenslehre und zum Wohl des deutschen Volkes einzutreten, sondern eher darin, die eigenen territorialen Machtbereiche zu erweitern und autonome Machtbefugnisse von der Zentralmacht des Kaisers zu ertrotzen. Dabei waren sich diese protestantischen deutschen Fürsten nicht zu schade, mit dem französischen König und Protestantenfeind Heinrich II. ein Zweckbündnis abzuschließen, was zur Folge hatte, dass die Franzosen in Elsass und Lothringen einfielen und die Bistümer und Reichsfestungen Metz, Toul und Verdun erobern konnten.

Ihre Kriegspläne gegen den Kaiser führten die Fürsten im Frühjahr 1552 auch schnell aus. Ihr Hauptziel war, den Südwesten des Deutschen Reiches unter ihre Kontrolle zu bekommen. Vor allem die drei Reichsstädte und Handelszentren, Nürnberg, Augsburg und Ulm, waren die strategischen Ziele ihrer militärischen Operationen. Dazu war ihnen jedes Mittel recht, sei es List, Verrat oder Gewalt. Nachdem die beiden erstgenannten Reichsstädte nebst Dinkelsbühl, Schwäbisch Hall, Nördlingen und Rothenburg in ihre Hände gefallen waren, zogen sie mit 10.000 Mann am 12. April 1552 von Weißenhorn her auf Ulm zu und forderten die Reichsstadt zur Kapitulation auf.

Ulm blieb jedoch nach Abstimmung seiner Bürger Kaiser und Reich treu, verweigerte die Übergabe und rüstete sogleich zur Verteidigung der Stadt, obwohl die Garnison sehr schwach, dadurch das umliegende Land dem Feind ausgeliefert und kaiserliche Hilfe fern war.

Nach siebentägiger Beschießung und Belagerung und dem Verlust von ungefähr 700 Mann bei der vergeblichen Erstürmung der Reichsstadt zogen die Belagerer schließlich ab, wobei sie das nahe Umland der Stadt verwüsteten.

 
Ein Großteil der kurfürstlichen Heeresmacht zog unter der Führung von Moritz von Sachsen nach Tirol gegen den Kaiser, ein anderer Teil unter den Fürsten von Mecklenburg und Hessen gegen Ravensburg und Stockach. Der Rest der Truppen blieb unter der Führung des Markgrafen von Brandenburg im Ulmer Land, wo weitere 18 Dörfer ausgeplündert und niedergebrannt wurden. Ebenso wurden die Hauptorte des Ulmer Landes, Leipheim, Langenau, Albeck und Geislingen, gebrandschatzt, d.h. entweder wurde eine geforderte Geldsumme sofort bezahlt oder die Stadt wurde niedergebrannt.

Geißlingen mit dem Schloß Helffenstein. Eine der ältesten Darstellungen der Stadt Geislingen und der Burg Helfenstein, 16./17. Jh., kolorierte Federzeichnung, Stadtarchiv Ulm
 
1. Akt: Die unrühmliche Besetzung der Stadt Geislingen und der Festung Helfenstein durch den Markgrafen von Brandenburg-Kulmbach
Geislingen und der Helfenstein wurden in der Osterwoche 1552 von den Truppen des Markgrafen von Brandenburg überrumpelt und ohne Kampf eingenommen. Wie dies vonstatten ging, wurde in einer Chronik überliefert, die sich im Stadtarchiv Ulm befindet und deren Verfasser unbekannt ist, der aber damals ein Augenzeuge der Geschehnisse hier in Geislingen gewesen sein musste. Der Chronik zufolge ging die Einnahme der Stadt und der Burg folgendermaßen vor sich:


Markgraf Albrecht von Brandenburg schickte vorab einen Zug Reisiger, das waren schwerbewaffnete, gepanzerte Reiter, auf Geislingen zu. Ihnen voran ritten drei Kuriere mit einem Trompeter über die Alb vor die Festung Helfenstein und begehrten von der Burgbesatzung den unbeschadeten Durchritt des Reiterzuges, der ihnen auch gewährt wurde.


Die Festung Helfenstein war unter der Führung der beiden Ulmer Burgvögte Mang Kraft und Hochwäher mit 24 Schützen, 4 Wächtern, einem Trompeter und der sechs besten Kriegsleute aus Geislingen besetzt. Die Stadt Geislingen selbst war dagegen unbesetzt.


Die brandenburgischen Kuriere ritten dann zur Stadt hinunter und benachrichtigten Hans Ehinger, den hiesigen Ulmer Vogtverwalter, und die Geislinger, daß ein 'reißiger Zug' durchziehe, den man nicht in die Stadt lassen, sondern hinten hinab weisen soll. Der Zug ritt still und ohne allen Schaden hinter der Stadt, also entlang der Westseite vorbei und besetzte die vier Dörfer im Filstal unterhalb der Stadt.

In der Chronik heißt es weiter: 'Es blieb aber ein Oberster mit 40 Pferdten in der Stadt Geislingen. Da es Abend war, ließ er noch wohl 80 Pferdt zu ihm auß den Dörfern in die Stadt kommen; das die von Helfenstein nit sehen konnten, das geschah am Oster Aftermontag (Dienstag).'



Hier ist der Chronist, wahrscheinlich der Geislinger Vogtverwalter Hans Ehinger selbst, ziemlich ungenau. Zunächst ist lediglich von einem Vorbeizug der Reiter an der Stadt die Rede, dann allerdings bleibt plötzlich ein Oberster mit vierzig Reitern als Besatzung in der Stadt, denn mit dem Begriff 'Pferdten' kann nichts anderes gemeint sein als eine Abteilung des Reiterzuges. Und am Abend des Dienstag nach Ostern werden weitere 80 Reiter heimlich in die Stadt gelassen.


Was war zwischenzeitlich passiert? Was verschweigt der Chronist wohl absichtlich? Hat sich etwa der gutgläubige Geislinger Vogtverwalter überrumpeln lassen, als der Reiterzug ankam und der Oberst mit seinen 40 Reitern in die Stadt einrückte? Oder wurde der vielleicht gar nicht so gutgläubige Ulmer Vogtverwalter von den drei Kurieren unter Bedrohung seines Lebens zur Übergabe der Stadt gezwungen?


Man weiß es nicht. Jedenfalls ist es offensichtlich, dass die Stadt durch Arglist von dem Brandenburger okkupiert wurde, denn in derselben Nacht um 10 Uhr kamen noch vier Fähnlein Fußvolk in die Stadt, was vom Helfenstein aus ebenfalls unbemerkt blieb. Und nachdem anderntags noch zwei Regimenter Landsknechte durch Geislingen zogen und unterhalb der Stadt auf den Lauffenwiesen ihr Lager aufschlugen, ritt der Markgraf selbst in Geislingen ein.







 











Albrecht Alkibiades von Brandenburg-Kulmbach (1522 – 1557), Belagerer von Ulm und Eroberer des Helfensteins. Kupferstich, undatiert, Stadtarchiv Geislingen
 


Nach Arglist und Täuschung setzte nun der Markgraf Erpressung und Androhung von Gewalt ein, um die ulmische Besatzung des Helfensteins zum Einlenken zu bewegen, und es wird berichtet:
'Und auf den Donnerstag am Morgen luß (ließ) er denen zu Helfenstein anzeigen, daß alle Burger aus Geißlingen auß dem Schloß herab in die Stadt zu ihrem Hab und Gut zihen sollen oder ihre Häußer müssen brennen mit Feuer. Da ließendt die Burgvögte die von Geißlingen heraus, häts Mancher nit thun, wenn er Burgvogt wär geweßt. Da erfuhr der Markgraf alle Sach, und begehrte darnach das Schloß auf; doch den Burgvögten zween Spital-Wägen geladen mit ihrem Gut wollt er ihnen heraus lassen, und die anderen mit gewehrter Hand und Fried und Glait ziehen lassen. Das nahmen die von Helfenstein an und gaben das Schloß auf. Da war ein Geschrei unter dem gemeinen Mann der in das Schloß geflüchtet hat all sein Hab und Gut. Und da man das Schloß aufthat, ließ man niemand hinein dann die zween Wägen, und die markgräf'schen Herren waren im Hof gestanden, daß die zween Wägen flugs geladen und wieder hinaus kämen; und alsdann wurde Helfenstein geplündert. Der Markgraf zog alsdann hinweg und besezte das Schloß mit 29 Rotten Schützen und wardt Oberst der Sylvester Hornung und über die Reiterei wardt Balthuß Reysensteiner verordnet. Und also war das Schloß besezt und Spieß und Büchsen und was man dörfte, nahmen sie zu Geißlingen.'

 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen