Samstag, 25. Januar 2014

Belagerung und Zerstörung des Helfensteins 1552 Teil 2


Das Zwischenspiel


Innerhalb der markgräflichen Besatzungstruppen kam es offenbar nach Abzug des Markgrafen zu erheblichen Meinungsverschiedenheiten und Machtstreitereien zwischen den beiden Kommandeuren, die damit endeten, dass 'Auf Sonntag nach Pfingsten Anno 1552 ... der Reysensteiner den Hornung zu Geißlingen in der Heerberg zu der Krone auf der Lauben' erschoß. 'Nach demselben kam Wilhelm von Kaltenbach, der hielt sich wohl mit denen von Geißlingen.'

Aus dem letzten Halbsatz lässt sich erschließen, dass offenbar der Hornung gegenüber der Geislinger Bevölkerung seine Machtposition ausgespielt und für Unfrieden und Angst gesorgt hatte, was schließlich zu der blutigen Konfrontation der beiden Kommandeure führte.

Zugleich ritt der Reysensteiner überall im Ulmer Land herum, warb Landsknechte und Schützen an und ließ weder Fuhrleute noch Bauern mit Frucht, Holz oder Wein nach Ulm fahren. Diese Blockade der Reichsstadt durch die Markgräfler dauerte vom Dienstag nach Ostern bis Ende Juli 1552.

Inzwischen nahmen die kriegerischen Vorbereitungen der Ulmer zur Rückeroberung ihrer Herrschaft allmählich Gestalt an. Der am Hof des Kaisers in Innsbruck weilende Hans Ungelter bat Anfang Mai im Namen des Ulmer Rats den Kaiser um 200 schwer bewaffnete Reiter, um den Feind im eigenen Territorium zum Abzug zu zwingen und zur Wiedereinnahme der vom Feinde besetzten Schlösser, Flecken und Städte beizutragen.

Der Kaiser war der Stadt Ulm wegen ihrer Treue wohlgesonnen und kam der Bitte entgegen. Schon am 15. Mai berichtete Hans Ungelter, dass der Kaiser Hilfe nach Ulm schicke; die Truppen würden in Konstanz zusammengezogen. Im Auftrag des Kaisers kam am 22. Juni der Obrist Konrad von Bemmelberg in Ulm an, um die fünf Fähnlein, die Ulm bisher selbst bezahlt hatte, in des Kaisers Sold zu nehmen, noch weitere fünf Fähnlein zu werben und daraus ein ganzes Regiment von zehn Fähnlein zu errichten. Dazu sollten weitere zehn Fähnlein Fußtruppen und 400 Reiter des Grafen Montfort eintreffen, die der Kaiser für die Treue der Stadt, samt den schon vorhandenen Truppen selbst in Sold nahm. Am 30. Juni erhielt Konrad von Bemmelberg vom Kaiser den Befehl, die von den Feinden besetzten Güter für Ulm zurückzuerobern.
 

Geislingen von Westen mit der Darstellung der Belagerung und Wiedereinnahme der Burg Helfenstein durch die Ulmer 1552. Gouache auf Pergament, 2. Hälfte 16. Jh., Museum im Alten Bau Geislingen







 
2. Akt: Die Belagerung und Beschießung der Festung Helfenstein durch die Ulmer

Am Donnerstag vor Laurentius, dem 4. August 1552, rückte nun Konrad von Bemmelberg, begleitet von Sebastian Besserer, dem vormaligen Bürgermeister und damaligen Kriegsmeister von Ulm, mit acht Fähnlein aus dem Ulmer Regiment, einem Geschwader Reisigen und Geschützen vor die Burg Helfenstein und sie schlugen, wie der Chronist berichtet, 'das Lager ob dem Rinderthal auf der Alb und schanzten daselbst'.

Und weiter heißt es: 'Da ward aber das Schießen so groß aus dem Schloß, daß sie die Hütten den mehrsten Theil in die Halten macheten und wichen aus dem Lager. Und die erst Schanz wollt nichts guts thun, da machten sie eine Schanz zuvorderst auf dem Berg.'

Die Gegenwehr aus dem Schloss gegen die heranrückenden Ulmer war offensichtlich sehr massiv, was dazu führte, dass die Belagerung und Beschießung der Burg zunächst aus Mangel an Schutz zu scheitern drohte. Es ist anzunehmen, dass die Ulmer ihre Geschütze auf der dem Schloss nördlich vorgelegenen Höhe mit Einsicht in den Schlosshof in Stellung brachten und dabei von der feindlichen Burgbesatzung durch andauernde Beschießung empfindlich gestört wurden.

Anderntags hatten schließlich die Ulmer ihre Geschütze vollends in Stellung gebracht und über das besetzte Dorf Weiler mit einem 'Fähnlein Knecht' einen Vorstoß auf die Burg gewagt, der allerdings zurückgeworfen wurde. Währenddessen war das Artilleriegefecht zwischen den Ulmern und der feindlich besetzten Burg Helfenstein und Stadt Geislingen in vollem Gange.

'Und die von Ulm handt in ihrer Schanz gehabt 12 großer Stuck (Kanonen); die Ladung hat gewogen 67 Pfundt. Eine solche Kugel ist in die Kron in die Herberg geschossen worden. Aus diesen Stucken haben sie fast alle Tag 200 Schüß oder mehr gethan. Und wenn ein Schuß in das Schloß gangen, seindt zween heraus gangen. Und auf den andern oder dritten Tag haben die von Helfenstein denen von Ulm in die Artelerey oder in ihre Pulverwägen geschossen, daß Alles verbrannt ist worden und viel Volks dazu. Aber die Ulmer haben ihnen die hohe Wehr abgeschossen, daß sie über zween oder drei Tag haben nit uß der hohen Wehr schießen können.'

Zwei Tage lang dürfte demnach das Belagerungsgefecht unentschieden gewesen sein. Erst nachdem es den Ulmern gelang, das feindliche Geschützfeuer aus dem Wehrgang des Darließ (Geschützturm) zu unterbinden, senkte sich die Waagschale zu ihren Gunsten. Als sie dann schließlich am vierten Tag vier weitere schwere Geschütze beim Ödenturm in Stellung brachten, konnte von beiden Seiten die Burg beschossen werden. Die Belagerung schritt nun rasch vorwärts.

Das erkannten auch die Geislinger Bürger, die bis dahin größtenteils markgräfisch gewesen sein mochten, und am Dienstag, den 9. August, 'zogen die von Geißlingen in das Lager und baten um Gnad – das wussten die Knecht im Schloß.'

Es bleibt unklar, welche Rolle die Geislinger Bürgerschaft gespielt hat. Denkbar sind zwei Positionen. Die eine Alternative wäre, dass die Geislinger Bürger aufgrund der Besatzung von Burg und Stadt gezwungenermaßen auf der Seite der Markgräfler stehen mussten, um nicht gebranntschatzt zu werden, wie es manch anderen Gemeinden im Ulmer Land ergangen ist. Das hieße, die Bürgermeister der Stadt hätten gute Miene zum bösen Spiel gemacht, nur um Hab und Gut und Leib und Leben zu retten.

Andererseits ist es durchaus denkbar, dass die Geislinger Bürgerschaft unter der Führung ihrer Bürgermeister den Markgräflern gerne die Tore der Stadt geöffnet hatten und in der offenen Parteinahme mit den Angreifern sich gegen die drückende Ulmer Herrschaft auflehnten, die sie seit über 150 Jahren zu ertragen hatten. Vielleicht hatten sie die einmalige Chance gesehen, sich ein Stück Eigenständigkeit zu erkämpfen, wenn sie die Partei der Markgräfler ergreifen würden.

Die Tatsache jedenfalls, dass die Geislinger bei den Belagerern um Gnade baten, ihnen wieder ihre Stadttore öffneten und sich damit den Ulmern auf Gedeih und Verderb ergaben, zeigt an, dass weiterer Widerstand sinnlos geworden war.

Dies erkannten auch sofort die Markgräfler Landsknechte in der Burg und der Chronist berichtet: '... da handt die Knecht im Schloß Gemeindt gehalten und hat sie der Hauptmann (Wilhelm von Kaltenbach) freundlich gebeten, sie sollen bei ihm bleiben, da wöll er Leib und Gut bei ihnen lassen. Aber es half nichts. Um 8 oder 9 Uhr vor Mitternacht, da brachen die Knecht ein Loch durch den Thuren heraus, der Rappen Thurm genannt, und fielen ihrer viel von dem Hauptmann, daß er nit mehr die halbe Anzahl bei ihm hatte.'

In derselben Nacht schickten die Ulmer ein Fähnlein Landsknechte in die Stadt und besetzten diese. Vier Geislinger Bürger wurden ins Schloss hinauf geschickt, um zu erkunden, ob das Schloss von den Feinden verlassen worden wäre, denn die gefangenen fahnenflüchtigen Markgräfler Landsknechte gaben Anlass zu dieser Annahme. Doch die restliche Besatzung der Burg hielt in dieser Nacht noch trotzig aus, denn es heißt in der Chronik weiter: 'Und da (solange) die von Geißlingen marggräfisch waren, schoßen die von Ulm in die Stadt Geißlingen. Und da sie (nun) wieder ulmisch waren, schoßen die marggräfischen herab in die Stadt. Und an dem Morgen (danach) schuß niemand (mehr).'

Am Dienstag, den 10. August, um 8 Uhr morgens ergaben sich die noch in der Burg verbliebenen Markgräfler. Ihr Hauptmann verhandelte mit dem kaiserlichen Oberst Bemmelberg über die Übergabe des Schlosses und den freien Abzug seiner Truppen. Mittags nahmen die Ulmer den Helfenstein 'ungeplündert' und 'mit Geding' wieder in ihren Besitz. Die Markgräfler durften unter Geleit bis zur nächstgelegenen Grenze des Ulmer Landes abziehen.

 
 

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