Das Geislinger Kinderfest - seit 1428 eines der ältesten Stadtfeste in Südwestdeutschland
Das Geislinger Kinderfest ist einwandfrei das Heimatfest, das in unserer
Stadt und ihrer weiteren Umgebung die historisch am weitest in die
Vergangenheit zurückreichende Tradition besitzt. Mit der einzigartigen
Tradition dieses Geislinger 'Nationalfestes' lassen sich höchstens noch
vergleichen das Ravensburger Ruten- und das Biberacher Schützenfest,
keinesfalls jedoch das Göppinger Maienfest, dessen Überlieferung anderen
Ursprunges ist.
Die Reichsstadt-Ulmischen Herrschaftspfleger verhandelten am Freitag, den
29. August 1679 über den 'Tantz der Geislingischen Schuolkinder'. Sie
beschlossen dabei:
'... 3. wird nicht allein den Schuolkindern zu Geislingen ihren
jährlichen Tantz auf der Steingruben, nach dem Friedensfest anzustellen, ...'
Aus dem Text des Beschlusses geht hervor, dass die Ulmer Herren diesen
Tanz der Schulkinder nicht zum ersten Mal erlauben, sondern nur eine alte,
unterbrochene Tradition wieder aufnehmen. Das 'ihren Tantz' will nichts anderes
sagen als, dass der Tanz bereits 1679 Tradition ist.
Bei der Anordnung über die Durchführung des Festes heißt es im Beschluss
des Rats: 'am folgenden Montag fürohin in den latein. und teutschen Schuolen,
mit betten und singen schuldige Devotion abgelegt und nachmittag der Schul Jugend
vacanz gelassen, ...'
Es ist der Montag nach Jakobi, dass in Geislingen die Schuljugend ihren,
seit langer Zeit veranstalteten, jährlichen Tanz wieder abhalten darf. Der
endlich abgeschlossene Frieden von Nymwegen und ein außerordentlich fruchtbares
Jahr mag die Eltern und Schüler zum ersten Mal wieder zum 'Festen' veranlasst
haben und gerne gab dazu der Rat auch seine obrigkeitliche Erlaubnis. In den
folgenden Jahren und auch den vorhergegangenen Jahren wurde immer am Montag
nach Jakobi das 'alljähliche Kinderfest', wie es in einer Rechnung aus dem
Jahre 1824 erstmals heißt, abgehalten.
Zuvor fand sich in den Geislinger Rechnungen und Beilagen der
Stiftungspflege des früheren Hospitals der Begriff 'Berg' oder 'Schulberg' für
das Kinderfest. Zum ersten Mal konnte er nachgewiesen für das Jahr 1732 werden.
Diese Bezeichnung geht auf das einstige Ulmer Kinderfest oder den 'Schulberg'
zurück, die sich in Ulm bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Es war
ein Fest der lateinischen und ab 1531 mit der Einführung der 'Teutschen
Schulen' im Zuge der Reformation auch der 'teutschen' Volks-Schuljugend, das
anfänglich auf dem Michelsberg in Ulm gefeiert wurde; daher der Name 'Berg'
oder 'Schulberg'.
Kinderfest im Stadtpark um 1925 |
C. F. D. Schubart schildert den Festtag der Geislinger Schuljugend
übrigens in einem Brief vom 24. Juli 1768, als einen Tag
'zum
Tanzen, zum Springen,
zum
Lachen, zum Singen,
zum
Geigen und Blasen,
zum
Schreien, zum Rasen,
zum
Essen, zum Trinken, zur Lust.
Es
hüpfet voll Freude die Brust.'
Für Geislingen ist aber noch ein weiterer Gesichtspunkt interessant und
der Beachtung würdig. Im Jahre 1428 wurde die heute evangelische Stadtkirche
durch den Weihbischof von Konstanz geweiht, wie eine Urkunde im
Hauptstaatsarchiv Stuttgart beweist. Aus dieser Urkunde geht deutlich hervor,
dass sich der Bischof vom 22. bis 24. Juli 1428 in Geislingen aufgehalten hat.
Die Kirchweihe als Fest wurde in Geislingen bis ins 19. Jahrhundert hinein am
Sonntag vor Jakobi gefeiert. Oberlehrer Georg Maurer erklärte, dass früher das
Kinderfest auch im Volksmund 'Kinderkirbe' genannt worden sei. Und Pfarrer
Klemm schreibt:
'Es ist also eine ganz richtige Erinnerung, wenn das je am Montag nach Jakobi gefeierte Kinderfest zusammen mit dem Sonntag zuvor die 'Kirchweih' betitelt wird.'
'Es ist also eine ganz richtige Erinnerung, wenn das je am Montag nach Jakobi gefeierte Kinderfest zusammen mit dem Sonntag zuvor die 'Kirchweih' betitelt wird.'
Das Geislinger Kinderfest, der 'Schulberg' und die 'Kinderkirbe' gehen bis ins Mittelalter zurück als die verschiedenen Bezeichnungen für ein Fest, und das Kinderfest ist traditionsgemäß schon immer, mit einigen wenigen Ausnahmen aus besonderen Anlässen, am Montag, und bis 1919 am Montag und Dienstag nach Jakobi gefeiert worden.
Weder Unterbrechungen in Kriegszeiten, noch der Übergang der Stadt Geislingen von der ulmischen Herrschaft zur bayrischen und dann zur württem-bergischen, noch Angriffe auf die Ausgestaltung des Festes im 19. Jahrhundert konnten an dieser fortdauernden Tradition rütteln.
Infolge der über rund 500 Jahre bestehenden eigenständigen Tradition des
Geislinger Kinderfestes, hat es bis heute seinen eindeutigen Charakter als
echtes Geislinger Heimatfest bewahrt, zu dem von überallher, nicht zuletzt aus
dem Ausland, ehemalige Geislinger in ihre Heimatstadt kommen, um wie ehemals zu
Schulzeiten eben auch ein Wiedersehen mit Freunden und Bekannten zu feiern.
Literatur: