Die Steigen rund
um Geislingen
Hier war die Fahrt beschwerlich für Mensch und Tier.Geislingen liegt eingebettet im Zentrum einer Talspinne, die von fünf Tälern gebildet wird. Wer hier im Talkessel ankommt, muss zwangsläufig einen Albaufstieg zur Weiterfahrt wählen. Rund um Geislingen gibt es in alle Richtungen solche Albaufstiege, die hinauf auf das rund 120m höher gelegene Hochplateau der Schwäbischen Alb führen.
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Luftbild von Geislingen, 1990. Man erkennt deutlich die fünf Täler die hier eine sternförmige Talspinne bilden. Vom Talgrund aus führen die Fahrsteigen hinauf auf das Plateau der Schwäbischen Alb |
Diese Fahrsteigen gab es seit alters her. Sie waren einerseits die notwendigen Hauptverkehrswege für den Fernhandel, die von und zu ferneren Zielorten führten, andererseits auch die Nahverkehrsstraßen, die die umliegenden Albdörfern mit der Stadt Geislingen im Talkessel verbinden mussten.
So verband die Alte Weiler Steige schon zur Römerzeit
Cannstatt mit Heidenheim, Günzburg und Augsburg und führte im Mittelalter zu
den Dörfern Weiler, Schalkstetten, Stubersheim, Bräunisheim bis nach Gerstetten
und Langenau.
Seit dem Mittelalter führte die Reichsstraße von Esslingen über
die Stadt Geislingen durchs Rohrachtal, die Geislinger Steige hinauf, nach Ulm.
Zugleich war sie Wegverbindung zu den Dörfern Amstetten, Reuti, Ettlenschieß,
Urspring und Lonsee.
Ähnliches galt für die Türkheimer Steige, die den Weg
nach Laichingen und Blaubeuren wies und den Nahverkehr von und nach Türkheim,
Oppingen, Nellingen und Aufhausen aufnahm.
Und schließlich die Stöttener Steige, die die Verbindung
nach Donzdorf und Schwäbisch Gmünd war und die Dörfer Stötten, Schnittlingen,
Nenningen und Weißenstein mit Geislingen verband.
Lediglich die jüngste, die Oberböhringer Steige, führte
zu dem 1790 nach Plänen von Michael Knoll erbauten Weiler Oberböhringen und
weiter nach Unterböhringen. Sie war eine reine lokale Straßenverbindung.
Neben diesen Fahrsteigen gab es drei weitere Wegverbindungen
von kleinen Weilern zur Stadt, den Wittinger Steig, den Hofstetter Steig und
den Gmünder Steig, die die Weiler Wittingen, Hofstett am Steig und Kuchalb
verband.
Man unterschied zwischen einer Steige (mhd: ‚staiga‘) und
einem Steig (mhd: ‚stic‘). Im Gegensatz zu einer Fahrsteige war ein Steig
(schwäbisch auch: Stich) ein steiler Pfad, der zu Fuß oder mit einem Lasttier
(Esel) begehbar war und nur eine lokale Verbindung darstellte.
Die Fahrsteigen in den Geislinger Talkessel war früher
für die Bauerndörfer rund um Geislingen von größter Bedeutung, musste doch in
heißen Sommern und kalten Wintern das Trinkwasser für Leute und Vieh mit
Transportfässern aus dem Tal in die Dörfer transportiert werden.
Die Steigen waren steil und bei beladenen Wagen für die
Zugtiere sehr beschwerlich, egal ob es bergab oder bergauf ging. Bergabwärts
galt es, den Schub des Wagens mit Bremsblöcken auf den Hinterrädern zu
drosseln, bergaufwärts musste dafür gesorgt werden, dass die Zugtiere nicht an
besonders steilen Passagen zum Stehen kamen. Schwierig wurde es, wenn sich zwei
Fuhrwerke auf der Steige begegneten. Um aneinander vorbei zu kommen, gab es
Ausweichstellen. Doch dazu mussten sich die beiden Fuhrleute einig werden, wer
ausweicht und wer Vorfahrt genießen durfte.
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Modell eines sechsspänniger Frachtwagens, wie er seit dem Mittelalter im Fernverkehr auf der Reichsstraße von Esslingen nach Ulm unterwegs war. |
Für den schweren Fernfrachtverkehr gab es in Geislingen
die sogenannten Hauderer. Sie boten den Fuhrleuten gegen Entgeld zusätzlichen
Vorspann mit Zugtieren an, um die Steilheit der Albaufstiege bewältigen zu
können.
Die Jahreszahl 1870 wurde anlässlich der Erbauung der neuen Türkheimer Steige in den Fels eingemeißelt. |
Diese alten Fahrsteige erfüllten ihren Zweck bis in die
zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Mit dem Eisenbahnbau und der
Industrialisierung des Geislinger Talkessels wurde der Transportverkehr
dichter, und der Bahnhof in Geislingen brachte Menschen und Güter nicht nur in
die Stadt sondern auch zu den umliegenden Albdörfern.
Die neue Weiler Steige wurde, wie hier im Fels eingehauen, 1919 - 1921 in schwerer Nachkriegszeit erbaut. |